Vergangene Woche haben wir gemeinsam mit der AG Erneuerbare Energien der LEADER-Region Voreifel einen Besuch auf dem Obsthof Nachtwey in Gelsdorf organisiert. Seit 2021 produziert die Familie dort mit einer Agri-PV-Anlage zusätzlich Strom – direkt über den Apfelbäumen. Welche Erfahrungen Christian Nachtwey mit der Anlage gemacht hat, erzählte er uns vor Ort.
Agri-Photovoltaik (Agri-PV) bedeutet die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Pflanzenanbau und die Stromerzeugung durch Solarmodule. Diese werden in größerer Höhe oder mit speziellen Abständen installiert, sodass darunter weiterhin angebaut und gearbeitet werden kann.
Copyright: Elena Esser
Bereits seit 2018 geplant, dient die Anlage vor allem der Forschung. Ziel ist es herauszufinden, wie Obstanbau und Energiegewinnung sinnvoll kombiniert werden können und welchen Einfluss Agri-PV auf Erträge, Pflanzenwachstum und Kulturschutz hat. Dabei betont Nachtwey immer wieder: Die Anlage wurde auf die Bedürfnisse der Apfelbäume abgestimmt – nicht auf maximalen Stromertrag. Ziel ist es, in Zeiten des Klimawandels einen sicheren und guten Apfelanbau zu gewährleisten.
Solaranlage als Kulturschutz
Dafür sollen Synergien zwischen der Anlage und dem Kulturschutz genutzt werden, um so auch auf die zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels zu reagieren. Die PV-Module übernehmen dabei mehrere Schutzfunktionen. Sie reduzieren die direkte Sonneneinstrahlung um etwa 30 Prozent und mindern so das Risiko von Sonnenbrand an den Früchten. Zudem schützen sie vor Hagel und Starkregen – Wetterextreme, die infolge des Klimawandels zunehmen.
Ein weiterer Effekt: Das Mikroklima unter den Modulen verändert sich. Im Winter bleibt der Boden etwa zwei Grad wärmer, was einen wichtigen Frostschutz bietet. Gleichzeitig sorgt die kühlere Luft im Sommer nicht nur für Tiere, sondern auch die Menschen die dort arbeiten für angenehme Bedingungen und senkt die Betriebstemperatur der Module – was deren Effizienz erhöht.
Nachtwey hat zudem beobachtet, dass sich die Apfel-Reifezeit um zehn bis zwölf Tage nach hinten verschiebt – ein positiver Gegentrend zu den immer früher einsetzenden Erntezeiten durch den Klimawandel.
Die Apfelbäume unter dem Zebramuster. Copyright: Franziska Fischer
Aufbau der Anlage
Die Anlage besteht aus elf Reihen mit Glas-Glas-Modulen von zwei Quadratmetern Fläche, montiert in etwas unter fünf Metern Höhe. Die installierte Leistung beträgt 258 kWp – genug, um etwa 60 Haushalte im Jahr mit Strom zu versorgen.
Getestet werden zwei verschiedene Modul-Anordnungen: eine Blockstruktur und ein sogenanntes Zebramuster mit abwechselnd beschatteten und offenen Flächen. Die Blockstruktur wirft einen Schlagschatten, während das Zebramuster für eine gleichmäßigere Verschattung sorgt. Sein Fazit: Die gleichmäßigere Verschattung ist besser für die Pflanzen. Und genau solche Erkenntnisse erhofft sich die Forschung von der Anlage.
Das Projekt wird vom DLR und Fraunhofer-Institut begleitet, die umfangreiche Daten sammeln – von Wetter und Bodenfeuchte über Erträge bis hin zur Pflanzengesundheit. Direkt nebenan befindet sich eine Referenzfläche mit herkömmlichen Hagelschutznetzen. Erste Auswertungen zeigen, dass unter der PV-Anlage deutlich weniger Pflanzenschutzmittel nötig sind – dank der Schutzfunktion der Module.
Christian Nachtwey berichtet den Teilnehmenden der Exkursion von seinen Erfahrungen mit der Anlage. Copyright: Elena Esser
Nachtwey sieht in Agri-PV eine echte Alternative zur klassischen Freiflächen-PV. Während letztere landwirtschaftliche Flächen dauerhaft entzieht, ermöglicht Agri-PV die gleichzeitige Nutzung für Anbau und Energieproduktion. Angesichts der Tatsache, dass nur rund 25 Prozent der in Deutschland konsumierten Lebensmittel hier produziert werden – und vor dem Hintergrund zunehmender Wasserknappheit in wichtigen Exportländern – gewinnt das Thema an Bedeutung.
Entwicklung der Agri-PV-Technik
Nach vier Jahren Betrieb zieht Nachtwey ein durchweg positives Fazit und plant weitere Anlagen. Die nächsten sollen filigraner gebaut und besser an die Geländeform angepasst werden, denn die Technik hat sich deutlich weiterentwickelt – die aktuelle Anlage gilt heute als überdimensioniert.
Damit sich Agri-PV-Anlagen finanziell lohnen, steht allerdings noch eine Entscheidung seitens der EU aus. Die Bundesregierung hat im letzten Jahr das Solarpaket I beschlossen, das eine zusätzliche Einspeisevergütung von 2,5 Cent pro Kilowattstunde für Agri-PV vorsieht (Quelle). Er kenne viele Landwirt*innen, deren Agri-PV-Anlagen fertig geplant sind und die nur noch auf die beihilferechtliche Genehmigung des Solarpakets aus der EU warten. Mit dieser Entscheidung rechnet Nachtwey mit einer Amortisationszeit von etwa 10 bis 12 Jahren für eine neue Anlage – das heißt: Nach spätestens zwölf Jahren wären die Investitionskosten gedeckt, bei einer erwarteten Laufzeit von mindestens 30 Jahren.
Als Vorreiterregion nennt er die Modellregion Baden-Württemberg, wo bereits sogenannte Businesscase-Anlagen erfolgreich betrieben werden – also Anlagen, die sich finanziell selbst tragen. Auch bei der Entwicklung flexibler Systeme für andere Kulturen sieht er große Fortschritte.
Auch für den erzeugten Strom gibt es viele Ideen zur weiteren Nutzung – insbesondere für Zeiten mit negativen Strompreisen, in denen eine Überproduktion von Solarstrom im Netz besteht. Neben der Nutzung für die eigene Kühlanlage oder mögliche E-Traktoren sieht Nachtwey auch Potenzial für die örtliche Wärmeversorgung, Ladesäulen und weitere Anwendungen.
Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten sich vor Ort selbst ein Bild von der Anlage und dem Obstanbau machen. Copyright: Elena Esser
Mitmachen und vernetzen
Es motiviert, ihm zuzuhören und sein Engagement für die regionale Energiewende zu erleben. Über 400 Gruppen hat Christian Nachtwey in den vergangenen Jahren bereits über seine Anlage geführt. Für alle Teilnehmenden war der Besuch ein Gewinn – ob Landwirt, Klimaschutzmanager oder interessierte Bürgerin.
Die Organisation solcher Exkursionen gehört zu unserer Arbeit in der Servicestelle Energie- und Wärmewende. Bei Fragen, Ideen oder Themenwünschen rund um Energie und Wärme in der Region kommen Sie gerne auf uns zu!
Die AG Erneuerbare Energien der LEADER-Region Voreifel steht allen Interessierten offen. Wer informiert bleiben oder sich einbringen möchte, kann sich unter info@leader-voreifel.de in den Mailverteiler aufnehmen lassen.